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Chiemsee - Reise in die Vergangenheit?!


Im Leben treffen wir Entscheidungen oft unbewusst aus dem Bauch heraus. Dies trifft auch auf diese Entscheidung zu. Ich wollte mal wieder den Chiemsee sehen. Nach über 10 Jahren war es an der Zeit, dachte ich. Mir ist jetzt erst im Nachhinein bewusst gewesen, dass es eine Art Abschied war. Der Schlussstrich unter einem Kapitel. Warum das so war, werde ich Euch erklären.

 

Unbewusster Abschied

In meiner Kindheit und frühen Jugend (späte 80er und frühe 90er Jahre) verbrachte ich viel Zeit im Chiemgau.

Meine Großeltern Elisabeth und Walter - beide damals bereits Pensionäre - kauften Mitte der 1970er Jahre eine Ferienwohnung in Marquartstein. Wir waren fast jeden Sommer am Chiemsee. Für mich war das die schönste Zeit des Jahres. Die beiden gaben sich größte Mühe um mir etwas zu bieten. Vom schwimmen im Chiemsee bis wandern in den Chiemgauer Alpen oder Sightseeing in Salzburg war alles dabei. Aber da war noch viel mehr. Es war die Geborgenheit,  die sie mir schenkten. Mit dem Chiemsee verbinde ich diese Zeit. Im Grunde war das ein Geschenk von meinen Großeltern an mich. Ich konnte einen Großteil meiner Jugend mit diesen tollen Menschen verbringen. Meine Eltern waren damals schon selbständig - so hatten kaum Zeit für Urlaub. Ohne meine Großeltern hätte mir viel gefehlt.

Später in der Jugend ist man lieber unter Gleichaltrigen. Es gab dann diese Urlaube nicht mehr so oft, aber trotzdem war ich immer noch einmal im Jahr dabei. Ich denke, dass sind auch die Erinnerungen, die mich am meisten geprägt haben.

 

Eigentlich, kam ich nicht an den Chiemsee um mich zu erinnern - zumindest nicht bewusst. Aber wenn man an einen Ort kommt, der einem einst so vertraut war, kommen die Erinnerungen automatisch. Ob man will oder nicht. So eine Begegnung mit der Vergangenheit hatte ich z.B. in Prien. Als Kind war ich oft mit meinen Großeltern im Freibad. Damals gab es noch ein 50 Meter Becken, wo heute das Prienavera steht.

Meine Großmutter hatte immer wieder damit zu tun mich aus dem Schwimmbecken zu bekommen. Oft hing ich einfach so am Beckenrand und beobachtete die Menschen draußen auf der Promenade. Komischerweise erinnerte ich mich daran als ich selbst gerade an der Promenade entlang schlenderte. Aber es gibt noch so viele andere Eindrücke: der Geruch von Chlorwasser, Omas Sonnencreme, Germknödel zu Mittag, Opa der in seinem gepolsterten Klappstuhl Zeitung liest, Oma und ich schwimmend im Chiemsee, Knisterkaugummi oder Brausestäbchen vom Strandkiosk, Opa und seine Gulaschsuppe. 

 

Aber da enden die Erinnerungen nicht. Ich erzählte Euch von der Wohnung meiner Großeltern. Ich habe diese seit 10 Jahren nicht mehr betreten. Hauptsächlich deswegen, weil es uns nicht mehr in diese Region gezogen hat. Vielleicht auch deswegen, weil es dort nichts mehr gab.

Meine Großeltern waren später nicht mehr in der Lage, selbst an den Chiemsee zu reisen. Opa konnte nicht mehr gut sehen und meine Oma war körperlich als auch geistig nicht mehr fit genug, um diese lange Strecke alleine zu schaffen. Laut der Aussage meines Onkels, waren die beiden das letzte Mal 2011 in ihrer Ferienwohnung. Da war der Opa schon 88 und die Oma 81 Jahre alt. 

 

Komisches Gefühl

Am Sonntag Abend standen wir kurz vor dem Haus, in dem sich die Wohnung befindet. Von außen konnte man nicht sehen, was sich im inneren verändert hatte. Beim Anblick des Hauses, hatte ich kurz diesen vertrauten Geruch nach Holz, Möbelpolitur und etwas undefinierbarem in der Nase. Als wir damals nach unserer langen Anreise dort ankamen, hat uns dieser Geruch schon beim Öffnen der Haustüre willkommen geheißen. Ein bisschen roch es nach Geborgenheit. Für mich war es dieser typische Marquartstein-Geruch.

 

Am Montag - dem Tag danach - trafen wir uns mit meinem Onkel am Abend in dieser Wohnung. Schon beim Öffnen der Haustüre fehlte dieser besagte Geruch. Es roch anders und trotzdem sah es immer noch aus wie früher. Nur die Wohnung war komplett anders. Sie war hell, freundlich und modern und trotzdem gab es die ein oder andere vertraute Ecke. Die Küche zum Beispiel. Diese wurde bis jetzt nicht renoviert. Auch das Bad blieb gleich. Am Absperrhahn der Wasserleitung hing ein Zettel, handschriftlich verfasst von meiner Großmutter:

"Bei Anreise Absperrhahn auf machen. Bei Abreise zu. Danke, Dr.F."

 

Jeder Mensch ist anders
Für mich war diese Reise ein heilsamer Abschied. Als meine Oma starb, war in meinem Leben zu viel los. Ich hatte zu wenig Zeit diesen Verlust richtig zu verarbeiten. Als sie im Sterben lag, habe ich gerade den Arbeitgeber gewechselt. Ich wurde neu eingearbeitet und hatte einfach zu viel um die Ohren. Dennoch saß ich jeden Abend am Sterbebett um bei ihr zu sein und um sie zu begleiten. Nach ihrem Tod ging das Leben relativ schnell weiter. Man verdrängt diese Gedanken und versucht einfach sein Leben weiter zu führen. 

In den letzten Jahren seit Omas Tod, habe ich mich immer wieder gerne an unsere gemeinsame Zeit erinnert. Einmal wurde mir gesagt, ich würde in der Vergangenheit leben. Vermutlich war das zu diesem Zeitpunkt auch so. Den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten, ist eine persönliche Angelegenheit. Jeder Mensch braucht seine Zeit um den Verlust zu verarbeiten. Also lasst Euch bitte nichts von anderen einreden. Es wird der Tag kommen, an dem man mit einem Lächeln im Gesicht an die Vergangenheit denkt, ohne das Tränen fließen. Wenn dieser Zeitpunkt da ist, wird es Dir nicht sofort bewusst sein, sondern erst viel später. Abschied nehmen ist nicht leicht und es gibt einfach keinen Schalter, den man umlegen kann.

Bei dieser Reise wurde mir wieder einmal mehr bewusst: Unsere Zeit auf Erden ist limitiert. Wir haben nur X - Jahre um unser Leben zu genießen. Wenn wir zu sehr auf die Stimmen anderer hören, anstatt  auf das was unsere eigene innere Stimme sagt, dann verschwenden wir unsere Zeit. Eine weitere Lehre ist es, Menschen zu meiden die Grenzen anderer nicht respektieren oder sie sogar überschreiten. Mittlerweile kann ich jemanden stehen lassen, wenn er oder sie den sprichwörtlichen Bogen überspannt hat. Das konnte ich lange Zeit nicht. Erst als mir so richtig bewusst wurde, wieviel Zeit ich an solche Trolle verschenkt habe. 

 

Und die Moral von der Geschicht'?
Genießt Euer Leben, lasst Euch nicht von anderen beeinflussen und bleibt konsequent auf Eurer Spur.
Oder wie Steve Jobs es sagen würde: “Don’t let the noise of others’ opinions drown out your own inner voice."

In diesem Sinne

 

Save Travels ✌🏽